Unseren täglichen HotPot gib uns heute …

Ich stelle mir die ersten Wikinger vor, die völlig entkräftet nach Wochen auf der eisigen arktischen See, endlich Land erblicken. Sie erreichen das Ufer und stehen vor … einer mondartigen Landschaft. Karger Pflanzenbewuchs, Wasserfälle, Wind. Gletscher, Eisberge, Flüsse, moosbewachsene Lavawüsten. Und irgendwo steigt Dampf auf. Die Wikinger gehen vorsichtig näher und stehen vor einem natürlichen Becken oder einem Fluss, der aus dem Erdinneren heißes Wasser hervorbringt. Was werden sich die Männer gedacht haben? Und wer war der erste, der die dreckverkrusteten Sachen auszog, um den kältegebeutelten Wikingerkörper in das warme Wasser zu legen? Wahrscheinlich haben sie Lose gezogen und ein armer Wicht musste als erstes in das Naturphänomen hineinsteigen, das bis heute bei Einheimischen und Touristen für Begeisterung sorgt.

Denn gibt es etwas Schöneres und Entspannendes, als nach einem langen Wandertag in den teils sehr rauen Landschaften und Wetterbedingungen Islands, die müden Knochen in einen „Heitur Pottur”, heiße Quelle oder auch Hot Pot zu betten? Die meisten natürlichen heißen Quellen in Island haben Temperaturen zwischen 35 und 40 Grad Celsius. Ideal um den Tag ausklingen zu lassen, zu entspannen, zu quatschen oder einfach nur in die umgebende atemberaubende Landschaft zu starren. Und wenn man ganz glücklich ist, kann man abends vielleicht vom Hot Pot aus Nordlichter sehen. Sigh …

Also: wenn Du nach Island reist, solltest Du auf gar keinen Fall Dein Badezeug vergessen!!! Du kannst an jedem Tag Deines Urlaubes in ein anderes heißes Gewässer steigen und ich verspreche Dir, das wird auch in der Wiederholung nicht langweilig! Zur Orientierung berichte ich Dir im Folgenden von den verschiedenen Arten von Bädern und natürlichen Quellen, die Du in Deinem Urlaub aufsuchen kannst. Ich werde bewusst nur die bekannten, offiziellen Badestellen benennen und verorten. Warum? Weil jeder Seppel sich instagramable mit einer Wollmütze auf dem Kopf in jede mögliche oder unmögliche Quelle auf der Insel legt, um DAS Foto für seinen Socialmedia Kanal zu machen. Egal, ob diese Quelle auf privatem Grund liegt, oder die ständige Nutzung durch viel zu viele (ungewaschene) Menschen dem Badeplatz den Beinamen „Chlamydien-Pool“ eingebracht hat. Dem will ich hier natürlich keinen Vorschub leisten, ganz im Sinne des Skandinavian Travelcodex.

Natural Hot Springs

Wobei … ganz ehrlich… die natürlichen Quellen sind meine persönlichen Favoriten. Du folgst einem winzigen Trampelpfad, fragst Dich, ob die Beschreibung zu diesem Ort wirklich zutreffend ist und entdeckst plötzlich vom Boden aufsteigenden Dampf. Ja, Du bist richtig! Du biegst um eine Ecke und traust Deinen Augen nicht: ein kleiner heißer Wasserfall ergießt sich in ein natürliches Becken, durchquert das steinerne Rund, um sich dann viele Meter als weiterer Wasserfall in einen Fjord zu stürzen. Du legst Deine Kleidung und Dein Handtuch hinter einen Busch und balancierst auf moosigen, glitschigen Steinen in das Becken hinein, um die nächste Stunde damit zu verbringen, dem Sonnenuntergang in einem unwirklichen Szenario beizuwohnen. Vielleicht das großartigste Erlebnis der bisherigen Island-Trips.

Ein Wort noch zu den natürlichen Quellen. Menschen sind ja bequem. Die Zeiten der ersten Siedler sind lange vorbei und bereits diese haben sich bemüht, die gut zugänglichen Quellen zu „bequemisieren“ – meint: es wurden Wege angelegt, Becken vergrößert, Sitzgelegenheiten im Wasser geschaffen und manche dieser natürlichen Quellen haben heute kleine Umkleidemöglichkeiten. Aber es gibt sie noch, die naturbelassenen Quellen, die irgendwo im Nirgendwo liegen und auch nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind. So stand ich auf der Suche nach meiner allerersten dieser (seltenen) Gattung „Natural Hot Pots“ ganz alleine irgendwo im Westen Islands und habe es nicht geschnallt. Ich fand das Wasser lauwarm und nicht besonders einladend, hatte aber den kleinen natürlichen Pool innerhalb des großen Ganzen nicht entdeckt (da niemand außer mir dort war, an dem ich mich hätte orientieren können). Tja, da muss ich wohl noch einmal wiederkommen …

Historische Hot Pots

Es gibt noch wenige Hot Pots, die aus der frühen Siedlungsgeschichte Island übriggeblieben sind. Einer davon ist der Snorralaug in Reykholt. Es handelt sich hier um den Hot Pot von Snorri Sturluson, der seit dem 13. Jahrhundert existiert. Snorri war Geschichtsschreiber und Poet und gilt als der bedeutendste Verfasser alter isländischer Schriften, wie die bekannte Snorra-Edda sowie die Heimskringla, die die Geschichte der norwegischen Könige beschreibt. Daher ist außer seinem Badeplatz auch noch eine Statue von ihm im Ort zu bewundern. Snorris Hot Pot hat einen Durchmesser von vier Metern und ist bis zu einem Meter tief. Benutzen darf man ihn heute nicht mehr.

Quellen auf Privatgrund

Manche Quellen sprudeln beständig aber nicht spektakulär aus dem Boden. Da hat es sich für die Besitzer des Grundstücks angeboten, Becken zu bauen und das Wasser aufzufangen. In der modernen Zeit sind das zum Beispiel Edelstahlwannen. Ein inzwischen nicht mehr ganz so geheimer Secret Spot mit einer solchen Wanne liegt keine 30 Meter von der Ringroad entfernt. Versteckt hinter einem Hügel hat der Badende einen traumhaften Blick auf das Meer. Allerdings steht dieses Becken auf Privatgrund. Ich hörte, dass der arme Besitzer inzwischen wegen der Massen an Touristen „aufgegeben“ hat und die Menschen schlicht gewähren lässt. Es war leicht, den Standort herauszufinden. Irgendwer muss sich immer mit Geotagging oder einem Hinweis bei Google Maps wichtigtun. Ich habe sogar ein Video bei Youtube gefunden, das die Strecke ab Ringroad mitfilmt, damit der letzte Depp ganz sicher den Weg findet. Wir haben uns die Wanne nur angeschaut und Fotos gemacht. Es war ein wahrer Affenzirkus dort! Die Fotos sind bearbeitet, ich habe die Menschen einfach entfernt, gefiel mir besser …

Islands Schwimmbad-Kultur entsteht

Getreu dem Motto „think big“ wurden und werden einige der natürlichen Quellen in große Becken geleitet, damit man mit mehreren Personen ein gemeinsames Bad genießen kann. Ich vermute, dass die ersten dieser Bäder quasi den Startschuss für die großartige isländische Badekultur gegeben haben. Ein sehr bekanntes dieser alten Bäder ist der Seljavallalaug. Er liegt sehr malerisch in einem schönen Tal und man muss ein kleines Stück hinwandern. Erbaut wurde der ursprüngliche Pool 1923, um den Kindern der umliegenden Gemeinden das Schwimmen beizubringen. Bis 1936 blieb dieses kleine Becken das größte Schwimmbad des Landes! 1990 gab es einen „Neubau“, näher an der Straße – leider. Gib den Namen bei Instagram ein und entdecke Millionen obercooler Influencer, die im Becken dümpeln. Es gibt ein steinernes Umkleidehäuschen, das (jedenfalls als ich dort war) mit Müll und zurückgelassenen Kleidungsstücken geflutet war. Hinter den Umkleiden häuften sich menschliche Exkremente und ich fand das gesamte Szenario einfach furchtbar. Erst recht, als ein Influencer-Bubi eine pinke Luftmatratze auspackte und zu posen begann. Zeit für mich, den Schwimmbeutel ungeöffnet wieder zum Auto zu tragen!

Aber zurück zu den isländischen Schwimmbädern. Heute gibt es an fast jedem Ort ein sogenanntes „Sundlaug“, also ein öffentliches Schwimmbad mit moderaten Eintrittspreisen und meist einem (kühleren) Sportbecken und mehreren warmen Hot Pots. Manche dieser öffentlichen Bäder haben eine ebenso traumhafte Lage wie die hochpreisigen Spa-Bäder, auf die wir gleich noch zu sprechen kommen. Als ein Beispiel möchte ich Dir das Hofsós Sundlaug empfehlen – ist die Lage nicht großartig? Informationen zu allen isländischen Schwimmbäder findest Du auf der Seite https://sundlaugar.is/

Geothermale Wellnessbäder

Kommen wir zu einer speziellen Gattung von öffentlichen Schwimmbädern: die Geothermal Spas. Es handelt sich hierbei um kleine Wellnesstempel, die Entspannung und Ausstattung auf ein exklusives Niveau heben. Das bekannteste Exemplar ist sicherlich die „Blue Lagoon“ auf der Halbinsel Reykjanes, vor den Toren Reykjavíks. Das milchige Wasser in der Blauen Lagune ist reich an Mineralien wie Kieselerde sowie verschiedenen Algenarten – aber es ist eigentlich ein Abfallprodukt des nahe gelegenen Geothermalkraftwerkes Svartsengi … hmm. Ich war selbst noch nicht in der Blauen Lagune und bin nur durch ihre Ausläufer spaziert. Das bläuliche, milchige Wasser zwischen der schwarzen Lava ist schon ein echter Hingucker!

Aber ich war in der kleinen Schwester der Blauen Lagune, dem Myvatn Nature Bath im Norden Islands. Die sechsstündige Entfernung von Reykjavik hält den Touristenstrom überschaubar und man kann auch hier in milchigem Abwasser eines benachbarten Kraftwerkes baden. Besonders gefallen hat mir der Ausblick auf die Ebene rund um den Myvatn-See und die Dampfhütten, in denen man auf Holzbänken über Löchern im Boden sitzt und im aufsteigenden Wasserdampf entspannt.

In Reykjavik selbst gibt es seit diesem Jahr ein neues, zur Blauen Lagune konkurrierendes Spa: die Skylagoon. Sie wirbt mit dem Slogan „A thermal spa inspired by nature & culture“ und bietet dem Besucher ein traditionelles isländisches Wellness-Ritual mit Saunabesuch, Körperpeeling und weiterem Schnickschnack. Das war uns allerdings zu teuer. Wir waren zufrieden damit, im großzügigen Infinety-Becken mit einer 70 Meter langen Aussichtskante und einem großen Wasserfall zu dümpeln. Diese geothermale Lagune (mit ihren vermutlich künstlichen Felsen) ist in die natürliche Umgebung des Hafens von Karsnes in Kopavogur eingebettet und macht echt was her – auch ohne „Ritual“!

Mein Favorit der Geospa Bäder liegt in Húsavík, in Islands Norden: das Geosea Geothermal Bath. Die Lage neben dem Leuchtturm des Ortes ist so wunderschön … eigentlich bleibt man den ganzen Besuch über an der Kante des Beckens hängen, um den spektakulären Ausblick auf die tosende See und den schönen nördlichen Eyjafjörður zu genießen. Das Bad wird mit geothermisch erwärmtem Seewasser gespeist, das durch zwei Bohrlöcher im Meer angesaugt und in die Becken gepumpt wird. Also, es schmeckt leicht salzig  und der vorhandene Mineraliengehalt soll therapeutische und heilende Wirkungen haben. Ich fand es einfach wunderwunderschön dort, wenn es auch das heisseste Bad war, das wir jemals besucht haben. Immer wieder musste ich mich an den Rand setzen, um meinen Körper auf Betriebstemperatur runter zu kühlen.

Bääääh der-Kultur

Ach ja, da können wir direkt einmal zu den unangenehmen Dingen der isländischen Bäderkultur kommen. Vorweg: die dicke deutsche Frau geht schon nicht gerne in ihrem Heimatort ins Schwimmbad. Verschämt husche ich gerne so unauffällig es geht ins Becken, möglichst schnell versteht sich, mit einem kurzen Stopp unter der Dusche. Aber so geht das in Island nicht! Man nutzt die Umkleide als Auskleide und geht (selbstbewusst) nackelig zu den Duschen. Dort wird jede Körperritze anständig eingeseift und gründlich gesäubert. Dem Thermalwasser ist keine Chemie zugesetzt – es soll im natürlichen Gleichgewicht bleiben und das gelingt nur mit sauberen Menschenkörpern. Erst nach der Dusche würgt man sich in der Dusche nass in seinen Badeanzug – seeeehr gewöhnungsbedürftig. Aber es wird von Mal zu Mal leichter und steigert die Motivation abzunehmen!

Private Hot Pots

Wer sein HotPot-Erlebnis intimer gestalten möchte, der sollte bei der Wahl der Unterkünfte zwingend darauf achten, dass diese einen eigenen HotPot haben. Es gibt viele Unterkünfte, in denen Du entweder den HotPot ganz für Dich alleine hast oder Du ihn Dir mit den anderen Gästen teilst. Manche Gemeinschafts-Hot Pots schliessen abends zu einer bestimmten Uhrzeit, was bedauerlich ist, wenn sich Nordlichter angekündigt haben und Du diese wundervoll aus dem Becken heraus beobachten könntest.

Ich hoffe, ich habe Dir die unterschiedlichsten Bademöglichkeiten Islands näherbringen können und konnte Dich davon überzeugen, beim nächsten Islandurlaub auf jeden Fall das Badezeug einzupacken!

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