2021 sollte alles besser werden: die Figur, die Fitness, der Pandemieverlauf und damit auch die Möglichkeit zu reisen.
Und so kam es, dass ich mich zu Fuß auf den Weg machte, Island zu umrunden – auf dem Hringvegur (deutsch: Ringstraße) oder auch Þjóðvegur 1 (deutsch: Nationalstraße 1).
What??? Zu Fuß auf der Ringstraße? Unmöglich und gefährlich, schließlich handelt es sich hier um DIE Hauptverkehrsverbindung in Island!
Keep calm – ich habe mich einer virtuellen Challenge gestellt und tracke gerade mit Hilfe einer App meine Schritte. Die App ist so nett und zeigt mir den Fortschritt durch Fähnchen auf der Ringroad. Augenblicklich befindet sich das Fähnchen mit meinen Anfangsbuchstaben irgendwo im Nordosten Islands und teilt mir mit, dass ich bereits 45 % der Ringroad gelaufen bin. Wohooo! An besonderen Punkten schickt mir die App Postkarten und ich freue mich immer total, weil ich ja tatsächlich die Ringroad komplett umrundet habe und immer wieder in Teilstücken bei meinen Besuchen in Island gefahren bin. Mit den Orten, die ich virtuell passiere, verbinde ich einfach schöne Erinnerungen.
Und während ich so jeden Tag meine Kilometerchen laufe und den Ringroad-Fortschritt beobachte, ist mir die Idee gekommen, dass ich einige Fragen beantworte, die häufig in Bezug auf die Ringstraße gestellt werden.
Wieviel Zeit soll ich einplanen?
Der Fotograf und Radfahrer Chris Burkard hat die gesamte Ringroad während des Cyclothons im Jahr 2019 in 52 Stunden, 26 Minuten und 19 Sekunden MIT DEM FAHRRAD befahren. Gut, er hat nicht großartig angehalten … aber was ich damit sagen möchte: Du kannst die Straße Nr. 1 in fünf Tagen, fünf Wochen oder fünf Monaten bereisen. Abhängig ist die Zeitplanung davon, was Du abseits der Straße entdecken möchtest. Wir haben für unsere Island-Umrundung 10 Tage Zeit gehabt und haben einiges gesehen, konnten aber selbstverständlich nicht überall anhalten, dazu war die Zeit einfach zu knapp bemessen.
Mit oder gegen den Uhrzeigersinn?
Auch diese Frage lässt sich nicht so leicht beantworten. Es kommt hier auf die Planung Deines Trips an. Buchst Du im Vorfeld Deine Unterkünfte, legst Du gleichzeitig die Fahrtrichtung fest. Meiner Meinung nach ist die Richtung dann völlig egal – wir haben uns für „gegen den Uhrzeigersinn“ entschieden. Wenn Du flexibel bist, beispielsweise bist Du mit dem Campervan oder Zelt unterwegs, kannst Du Dich nach dem Wetter richten. Vielleicht fährst Du dann eine Strecke zweimal oder rauscht an einem Gebiet der Ringstraße vorbei, weil Sturm und Unwetter angesagt sind.
Fahrverhalten
Fjorde und Gletscher, schwarze Strände und schroffe Steilküsten, moosbewachsene Lava, donnernde Wasserfälle, unwirkliche Vulkankrater und putzige Turfhouses – alleine aus dem Fenster Deines Fahrzeuges zu schauen, löst bereits akute Glücksgefühle aus! Dennoch heißt es wachsam bleiben! Denn die Ringroad ist vielbefahren, Du kannst nicht einfach abbremsen und im Schneckengang an einem schönen Spot vorbeifahren … oder vielleicht sogar plötzlich anhalten, um DAS Foto zu machen. Ja, eine meiner größten persönlichen Herausforderungen – warten, bis eine Haltebucht auftaucht…
Auch ansonsten heißt es Vorsicht. Denn außer trotteligen Touristen sind hier einige Vierbeiner unterwegs. Schafe laufen häufig am Straßenrand entlang, in manchen Landesteilen auch Rentiere. Also heißt es hier vorausschauend zu fahren und eher defensiv vom Tempo her unterwegs zu sein. Apropos Tempo: Das isländische Tempolimit 50-80-90 (Innerorts: 50 km/h. Außerorts: auf unbefestigten Straßen 80 km/h. Außerorts: auf asphaltierten Straßen 90 km/h) sollest Du auf jeden Fall einhalten, ansonsten kann es schnell sehr teuer werden!
Fahrzeugwahl & Sicherheit
Der Mietwagenmarkt auf Island gibt ALLES her! Minikleine Autos, Campervans, Allradfahrzeuge – Du wirst Dich im Vorfeld fragen müssen, was Du bei Deinem Trip sehen möchtest. Willst Du ausschließlich auf der Ringroad bleiben, reicht ein Kleinwagen völlig aus. Möchtest Du auch abseits der Ringroad, die sogenannten F-Roads befahren, benötigst Du zwingend ein 4×4 Fahrzeug!
Egal für welches Fahrzeug Du Dich entscheidest, ist es unbedingt wichtig, sich zu jeder Jahreszeit über die tagesaktuellen Wind- und Wetterbedingungen zu informieren!!! Ich selber habe die Windgeschichte beispielsweise total unterschätzt. Die Ringroad verläuft zu großen Teilen an der Küstenlinie, durch weite Ebenen oder hohe Bergpässe – da kann der Wind den überraschten Fahrer schnell zu ungelenken Ausweichbewegungen bringen. Nicht zu unterschätzen ist auch der durch den Wind aufgewirbelte Sand/Asche. In Sekunden sinkt die Sichtweite auf wenige Meter! Vor Beginn jeder Fahrt solltest Du daher Informationen auf folgenden Seiten einholen:
www.drive.is , www.vedur.is, www.road.is oder www.safetravel.is
Hot Spots
Super praktisch: die Ringroad führt den Besucher quasi automatisch an sehr viele der Top-Attraktionen des Landes heran. Das ist Fluch und Segen zugleich. Folgt man der Ringroad, ist das Tagesprogramm quasi schon vorgegeben. Tatsächlich liegen so viele Sehenswürdigkeiten häufig in so dichtem Abstand zueinander, dass man eigentlich nur wenige Kilometer am Tag vorwärtskommt. Das ist schön, relativ unaufwändig (in Bezug auf Kartenmaterial zum Beispiel), führt aber dazu, dass man an diesen „Top Spots“ nie alleine ist. Dies gilt vor allem für die Südküste. Je weiter östlich oder nördlich man kommt, desto weniger drängelig wird es an den Hauptsehenswürdigkeiten. Willst Du diese auf jeden Fall besuchen, solltest Du die Stoßzeiten meiden und eher in den frühen Morgenstunden oder am Abend einen Stopp planen. Wenn Du Dich in Deiner Vorbereitung zudem fragst, ob es wirklich der berühmte XY-Wasserfall sein muss, oder Du nicht vielleicht lieber nach einer einstündigen Wanderung an einem einsamen und nicht weniger spektakulären Wasserfall stehen möchtest, dann wirst Du abseits der Ringroad die wirklich berührenden Naturerlebnisse machen!
Sommer vs. Winter
Beide Jahreszeiten laden zu einer Fahrt auf der Ringroad ein! Wie weiter oben bereits beschrieben, ist das Auswerten der Wetter- und Winddaten in JEDER Jahreszeit wichtig. Im Winter kommen dann noch vermehrt Eis und Schnee zu Deinen Herausforderungen hinzu. Die Ringroad ist eigentlich auch im Winter sehr gut befahrbar, wenn nicht gerade ein Schneesturm über die Straße peitscht. Ich selber fand es sehr angenehm im Winter auf ein 4×4 Fahrzeug zu setzen. Zudem sind die Mietwagen im Winter auch mit Spikes ausgerüstet, so dass auch eine Rheinländerin das Auto gut auf der Straße halten konnte. Die Fahrten über Pässe waren aus meiner Sicht im Winter die größten Herausforderungen. In Kombination mit starken Winden und/oder vereister Fahrbahn gilt es dann in Bezug auf die Routenplanung flexibel zu sein, vermutlich flexibler als in den Sommermonaten.
Fazit
Die Ringroad ist für viele Menschen ein echtes Bucketlist-Ziel. Aus Gründen. Sie verbindet die schönsten Orte Islands und macht sie jedem einfach zugänglich. Vielleicht ist sie deshalb bei so vielen Touristen beliebt, die das erste Mal nach Island kommen. Ich bereue es daher auch gar nicht, die Ringroad in 10 Tagen befahren zu haben. Sie war quasi der Sneakpeak für alle weiteren Reisen. Und auf meiner persönlichen Bucketlist steht, dass ich einmal mit dem eigenen (Mini)Camper für mehrere Wochen die Umrundung meiner Herzensinsel in Angriff nehmen möchte …